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Tim | 11.03.2016

Meinung zum Fortsetzungswahn: Gibt es keine Ideen mehr?

Schaut man sich die aktuelle Filmlandschaft an, muss man zwangsläufig zu dieser Erkenntnis gelangen: Die Branche wird bestimmt von Fortsetzungen, Remakes, Reboots oder einer wilden Mischung der beiden letztgenannten. Starten wir mit ein paar Beispielen der jüngeren Vergangenheit, zunächst die Fortsetzungen: Star Wars: Das Erwachen der Macht, Avengers: Age of Ultron, Fast & Furious 7, Die Tribute von Panem – Mockingjay: Teil 2, James Bond: Spectre, Mission: Impossible – Rogue Nation. Alles Filme aus dem vergangenen Kalenderjahr, alles Kassenhits. Damit zu den Remakes und Reboots, die uns bald ins Haus stehen: Batman, Ghostbusters, Die Mumie, Jumanji, Wargames, Memento, Dungeons & Dragons, Das Dschungelbuch, 20.000 Meilen unter dem Meer (da sind sogar zwei Projekte geplant) und etliche mehr. Wird dann doch mal was Neues angekündigt, handelt es sich gleich um eine mehrteilige Reihe. Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind wird eine Trilogie, zum im Dezember erscheinenden Assassin’s Creed wurde unlängst ein zweiter Teil angesprochen und Warcraft bleibt mit Sicherheit auch nicht allein. Was ist da los?

Sind Fortsetzungen schlecht?

Zunächst möchte ich beschwichtigend anfangen, denn prinzipiell habe ich nichts gegen Fortsetzungen. Es gibt ein paar einfache Voraussetzungen, die jedes Sequel rechtfertigen, eine nicht abgeschlossene Geschichte etwa. Allerdings sollte die Haupt-Story eines Films durchaus beendet werden. Ideal wäre es, wenn scheinbar unwichtige Fragen offen bleiben, die sich in der Fortsetzung als gar nicht so unwichtig erweisen (Wer ist der Vater von Star-Lord?). Alternativ sind die Charaktere so spannend, dass man unbedingt mehr über sie erfahren möchte. Oder aber die Welt ist groß genug, um weitere Geschichten zu erzählen, wobei das eher nach einem Spin-off schreit. (All das gilt selbstverständlich für jede Art von Story, also auch für Bücher und Videospiele; Serien sehe ich eher als eine einzelne fortlaufende Handlung). Dass eine Fortsetzung sogar besser sein kann als das Original, beweisen mehrere Beispiele. So wird Star Wars V: Das Imperium schlägt zurück nicht zufällig von vielen Fans als bester Teil der gesamten Reihe erachtet. Auch Toy Story 2 hat die Welt der lebendigen Spielzeuge vorangebracht und vor allem schön erweitert. Andere Sequels zeichnen sich dadurch aus, dass sie einen ganz anderen Ton anschlagen, Harry Potter und der Gefangene von Askaban beispielsweise. Wie sieht’s aus mit Der Pate 2, The Dark Knight, Terminator 2, Aliens, Spider-Man 2, Star Trek: Der Zorn des Khan? Alles grandiose Filme und für viele (nicht alle) besser als der jeweils erste Teil.

Ich möchte auch nicht den Trend der vergangen Jahre unerwähnt lassen: Die Sache mit den großen Film-Universen. Das Paradebeispiel ist natürlich Marvels Cinematic Universe, einfach weil sie mit ihrem erfolgreichen Konzept eine Vorreiterrolle einnehmen. Der Ansatz macht die vielen Fortsetzungen tatsächlich spannender, weil wir eben nicht nur ein drittes Iron Man- oder ein zweites Thor-Abenteuer bekommen. Nein, die Filme beeinflussen sich gegenseitig und münden zudem in direkten Crossovern, namentlich The Avengers. Die Welt der Marvel-Helden wird zusätzlich mit diversen TV-Serien ausgebaut, die in der gleichen Welt spielen wie die Filme. Klar, der gegenseitige Einfluss hält sich stark in Grenzen, ist aber immer noch zu erkennen. Kein Wunder also, dass die Konkurrenz an ganz ähnlichen Projekten arbeitet. DC Comics startet in Kürze mit Batman v Superman sein eigenes Comic-Filmuniversum während Universal von einer Welt träumt, in der berühmte Horror-Monster wie die Mumie und Frankensteins Monster nebeneinander existieren. Alles in allem sind Fortsetzungen also nicht per se schlecht, solange die Umsetzung gut ist und das zusätzliche Material rechtfertigt. Das soll aber nicht heißen, dass die vielen Ankündigungen der letzten Zeit gut für die Branche sind!

Sind alle Geschichten erzählt?

Also alles eitel Sonnenschein? Von wegen! So gern ich Fortsetzungen mag, sie haben überhandgenommen. Moment, das klingt zu harmlos: Fortsetzungen, Reboots und Remakes sind omnipräsent! Es vergeht kaum ein Tag, geschweige denn eine ganze Woche, in der nicht irgendein Projekt angekündigt wird, das auf einem bereits bekannten Werk basiert. Gut, zumindest kann ich diese Meldungen prima für unsere Facebook-Seite verwenden, die entsprechenden Kommentare aus der Community sprechen aber eine deutliche Sprache: “Fällt denen denn nichts Neues mehr ein?” Eine berechtigte Frage, gerade bei den großen Blockbuster-Produktionen findet man quasi kein Projekt, das sich etwas traut oder eine komplett neue Geschichte erzählt. Das gilt für mich übrigens auch für mehr oder wenige mutige beziehungsweise andersartige Projekte wie Doctor Strange, die immer noch Teil eines größeren Filmuniversums sind. Eine Entwicklung, die ich nicht gutheißen kann. Im Endeffekt ist der Fortsetzungswahn schade für alle, die gerne neue Geschichten entdecken, sich überraschen und mitreißen lassen. Doch scheinbar sucht kaum ein großes Filmstudio nach dem “nächsten großen Ding”, das gilt übrigens auch für Videospiele und sogar die hoch gelobte Sparte TV-Serien. Der letzte große Durchbruch, der die Welt in Staunen versetzte, war Breaking Bad, und das ist auch schon eine Weile her. Zugegeben, bei Serien sieht es insgesamt besser aus, dennoch gibt’s eine erstaunliche Anzahl an Adaptionen oder Spin-offs: Better Call Saul, The Walking Dead, Sherlock, Daredevil, Jessica Jones, Game of Thrones und Gotham, um nur ein paar zu nennen. Die Produktionsfirmen dürfen aber nicht aufhören, nach dem nächsten großen Ding zu suchen. Genau das brauchen wir nämlich, um weiterzukommen. Um neue Formate zu entwickeln. Um die Branche voranzubringen. Um die Zuschauer zu begeistern.

Mit dem Gemecker möchte ich nicht ausdrücken, dass es keine tollen, originellen Filme gäbe. Das ist definitiv nicht der Fall und eine der guten Seiten der Academy Awards: Hier stößt man jedes Jahr auf beeindruckende Filme, die tolle Geschichten erzählen, keine Fortsetzung sind und – nicht unwichtig – meist erst Monate später in Deutschland erscheinen; man kann sie sich quasi schon mal vormerken. Mal ein paar Beispiele der diesjährigen Preisverleihung: Spotlight, Raum, The Revenant, The Big Short und Der Marsianer. Zwei dieser Filme sind sogar richtig teure Blockbuster, die ohne Ende Menschen ins Kino gelockt haben! Das Erschreckende daran ist aber, dass vier dieser fünf Beispiele auf einem Buch basieren. Und wenn wir ehrlich sind, Spotlight ist auch ein biografisches Drama und hat so gesehen ebenfalls eine Vorlage. Vielleicht geht es auch nur mir so, aber bei den bekannten, großen Filmen läuft scheinbar irgendwas schief, wenn’s um neue Geschichten geht.

Und wer hat schuld? Der Zuschauer

Dass die großen Studios nur auf Fortsetzungen und Co setzen, ist eigentlich nicht überraschend. Schauen wir uns doch kurz die zehn Kinofilme des vergangenen Jahres an, die weltweit am meisten Geld eingespielt haben: Star Wars: Das Erwachen der Macht, Jurassic World, Avengers: Age of Ultron, Alles steht Kopf, Fast & Furious 7, Die Minions, Die Tribute von Panem – Mockingjay: Teil 2, Der Marsianer, Cinderella und James Bond 007: Spectre. Abgesehen von einer Ausnahme handelt es sich bei jedem Projekt entweder um eine Fortsetzung, eine Adaption, ein Reboot oder schlicht eine Neuinterpretation. Glückwunsch Pixar! Wer im Filmgeschäft Geld verdienen will, so die Lehre der vergangenen Jahre, muss sich also an bekannte Marken klammern. Nur als kleiner Vergleich: Quentin Tarantinos neuer Film The Hateful Eight hat es trotz großem Namen und einem exzellenten Cast nur auf Platz 55 geschafft. Der Fairness halber müssen wir natürlich erwähnen, dass der Film erst sehr spät erschien. Nehmen wir lieber einen anderen Vergleich: Das interessante wie spektakuläre Projekt The Walk findet sich auf Platz 127 wieder. Erschreckend!

Potentielle Einspielergebnisse sind natürlich nur einer von vielen Gründen, warum die großen Studios auf Fortsetzungen, Reboots oder ganze Filmreihen setzen. Der zweite wichtige Grund ist, dass die Produktion großer Blockbuster in den vergangenen Jahren verflucht teuer geworden ist. Ein Batman v Superman: Dawn of Justice hat Gerüchten zufolge ein Gesamtbudget von satten 410 Millionen Dollar, Marvels Zweiteiler Infinity Wars kratzt gar an der Milliarden-Grenze kratzen! Logisch also, dass man als Geschäftsmann oder -frau nicht alles auf eine Karte setzen und das Risiko streuen möchte. Und da ist die Fortsetzungsgeschichte noch immer die sicherste Variante, immerhin kann man das potentielle Zielpublikum viel einfacher abschätzen und die Kosten über mehrere Filme verteilen. Auch das Marketing fällt leichter, da man dem Zuschauer nicht erst groß erklären muss, worum es überhaupt geht. Übrigens: Dass auch mit wenig Geld viel möglich ist, hat die witzige Marketingkampagne zu Deadpool bewiesen, auch wenn es sich hier ebenfalls um eine Adaption handelt. Trotzdem: Daumen hoch dafür!

Letzten Endes ist der Zuschauer schuld daran, dass die Filmindustrie (beziehungsweise die Spielebranche) so sehr auf Sequels setzt. Würde kein Mensch für den xten Star Wars-Teil ins Kino rennen, würde man erst gar kein Geld in die Produktion stecken. Gleichzeitig kann man es dem geneigten Kinobesucher nicht verübeln, sich auch die nächste Fortsetzung anzuschauen. Man weiß recht genau, was einen erwartet und kann sehr viel besser abschätzen, ob sich das teure Kinoticket lohnt. Gleiches gilt für die Remakes alter Marken, die hauptsächlich auf einen möglichst hohen Nostalgiefaktor setzen. Die Zuschauer wollen sich in ihre verklärte Vergangenheit zurückversetzen? Nichts leichter als das, bringen wir einfach Fuller House auf Netflix oder produzieren eine Mini-Serie zu Akte X. (Ob das dem Ruf der Marken guttut, ist eine ganz andere Frage.) Wenn sich dann doch mal ein Studio an etwas Neuem versucht, fallen die Macher regelmäßig auf die Fresse. Disney beispielsweise hat in der jüngeren Vergangenheit mit Projekten wie John Carter, Lone Ranger oder Tomorrowland ganz schön Federn gelassen – dabei waren das nicht mal furchtbare Filme. Eine Sache möchte ich noch klar stellen: Ich mache hier niemandem einen Vorwurf, da ich selbst nicht anders handle und mir so ziemlich alle Filme im Kino anschaue, die irgendwie zu Elbenwald passen, seien es Comic-Verfilmungen, Fantasy-Epen oder Actionstreifen. Nehmt diesen Blogbeitrag also nicht als Kritik. Überhaupt ist alles gar nicht so schlimm, denn es gibt ja noch …

Die Indie-Nische

Dass sich der Fortsetzungswahn in den kommenden Jahren fortsetzt, steht für mich fest. Wer aber tatsächlich genervt ist von den immer gleichen Charakteren und Ideen, der findet abseits der großen Produktionen jede Menge spannende Projekte. Filme, die neue Ideen ausprobieren, die überraschen und bei denen nicht sofort klar ist, worum es eigentlich geht. Ein paar der bekannteren Beispiele von 2015 sind beispielsweise It Follows, What We Do in the Shadows, Ex Machina (mit einem Oscar für die besten Effekte ausgezeichnet!), Victoria, Sicario, Buzzard oder Heaven Knows What. Und etliche mehr, von denen nur die wenigsten etwas gehört haben. Und wer weiß? Wenn die Leute irgendwann genug vom nächsten Action-Bumm-Kracher haben, treten solche scheinbar kleineren Filme vielleicht mehr in den Fokus.

Der Begriff Indie-Nische lässt ja sofort an die Spielebranche denken, deswegen kommen wir kurz weg von den Filmen. Denn tatsächlich haben kleine Indie-Spiele die Industrie so richtig aufgemischt und die Käufer mit ganz neuen Ideen begeistert. Heute gibt es nicht wenige Projekte, die sich als Indie-Titel mit stilistischer aber schlichter Grafik darstellen, obwohl ein finanzstarker Publisher dahinter steht – so groß ist das Ansehen mittlerweile! Überhaupt, bei Spielen kann man längst nicht mehr von einer Nische sprechen, da so viele eher kleine Projekte in den Medien genauso viel Aufmerksamkeit erhalten wie AAA-Produktionen wie das nächste Assassin’s Creed. Beispiele der letzten Zeit sind etwa der geniale – ja, wie nennt man das eigentlich? – Taktik-Shooter Superhot. The Witness hingegen setzt komplett auf Labyrinth-Rätsel mit endlos coolen Einfällen. Andere Projekte überzeugen durch ein ganz neues Konzept, beispielsweise das Verhörspiel Her Story aus dem letzten Jahr. Und um noch einen persönlichen Favoriten zu nennen: Das reduzierte und trotzdem hübsche Oxenfree erzählt seine Geschichte besser als fast jede Großproduktion!

Soll heißen: Es gibt unendlich viele Menschen mit genialen Ideen. Und nicht wenige von diesen Menschen glauben so sehr an ihren Einfall, dass sie daraus ein Produkt machen, sei es ein Buch, Film oder Videospiel. Die größte Schwierigkeit der nach Abwechslung suchenden Konsumenten ist es eher, genau die Projekte und Ideen ausfindig zu machen, die einem selbst gefallen. Wer aber wirklich danach sucht, wird auch fündig. Und solange sich daran nichts ändert, störe ich mich nicht an der nächsten Fortsetzungswelle. Lieber erfreue ich mich an der Vielfalt und sitze ohne schlechte Laune auch bei der nächsten Comic-Verfilmung im Kino. Danach ist dann aber ein Independent-Film im Mini-Kino mit zwei Sälen um die Ecke an der Reihe.

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