Wednesday
"In den letzten Monaten wurde ich gejagt, verfolgt und im Internet millionenfach nachgeahmt ... und jetzt gibt's auch noch Merch von mir. Es ist die pure Folter. Danke schön!"
– Wednesday
Wednesday: Tim Burton und das Erfolgsgeheimnis des Netflix-Hits
Dass eine Serie von Tim Burton im Addams Family-Universum gut ankommt, dafür braucht es weder hellseherische Fähigkeiten noch das Deduktionstalent eines Sherlock Holmes. Dass die Netflix-Show Wednesday aber mit gefühlt jeder anderen Serie des Jahres den Boden aufwischen würde, die Wette wäre wohl nicht mal der Streaminganbieter selbst eingegangen. In gerade mal drei Wochen haben die Leute mehr als eine Milliarde Stunden Wednesday gestreamt – nur Squid Game und Stranger Things waren in dieser Metrik noch erfolgreicher. Laut einem Report von Samba TV schlug Wednesday sogar die HBO-Großproduktion House of the Dragon als am meisten geschaute Premiere 2022. Ja, Wednesday war ohne Zweifel der wichtigste Netflix-Release des Jahres. Dabei wäre es beinahe nie dazu gekommen.
Der steinige Weg
Zurück zum Anfang: Tim Burton und The Addams Family, das passt einfach zusammen. Deshalb wurde der Regisseur, der für seinen hochstilisierten Look mit den mal knalligen, mal mit Abwesenheit glänzenden Farben bekannt ist, schon während der Vorproduktion des Addams Family-Films von 1991 angefragt. Doch Batman und Batman Returns machten diesem so offensichtlichen Traumpaar einen Strich durch die Rechnung. Mehr als 30 Jahre sollten ins Land ziehen, bevor sich Burton endlich der bizarr-morbiden Familie widmen konnte.
Zunächst sicherte sich Illumination Entertainment, das Studio hinter den Minions, im Jahr 2010 die Rechte an der Addams Family. Geplant war ein Stop-Motion-Film, der auf den ursprünglichen Zeichnungen des Erfinders Charles Addams aufsetzen sollte. Und wer wäre besser geeignet, das Projekt aus dem Boden zu stampfen als Tim Burton himself? Der hatte schließlich schon mit Corpse Bride bewiesen, wie gut Stop Motion, Horror, Comedy und sein unnachahmlicher Stil zusammen passen. Burton sollte mindestens am Drehbuch mitschreiben und den Film produzieren, vielleicht sogar Regie führen. Doch dann machte das Studio 2013 eine Kehrtwende, entschied sich doch für die etablierte Computeranimation und brauchte dafür auch keinen Tim Burton mehr. Wieder vergingen Jahre.
Ab 2019 arbeiteten dann die baldigen Wednesday-Showrunner Miles Millar und Alfred Gough an einer eigenen Addams Family-Story und kamen dank MGM sogar an die Rechte. Allerdings fehlte dem Studio unter anderem ein großer Name, um das Ganze auch zu vermarkten. Eben ein Name wie Tim Burton. Gough: "Alle sagten uns, Tim mache keine Serien. Aber in meiner Zeit als Verkäufer habe ich gelernt, dass die Antwort immer 'nein' ist, wenn man nicht fragt. Also schickten wir unser Drehbuch seinem Agenten und dachten, wir würden nie wieder von ihm hören." Doch es dauerte nur vier Tage, bis sich Burton zurückmeldete – und einfach mal zusagte! Mit dem Namen im Gepäck kaufte Netflix das Projekt und kündigte noch im Oktober 2020 ein unbetiteltes Addams Family-Projekt von Tim Burton an – wobei der am Ende "nur" vier der acht Episoden inszenierte.
Das wahre Erfolgsgeheimnis?
Tim Burtons Name ist sicher nicht unwichtig, wenn es darum geht, den Erfolg von Wednesday zu analysieren. Allerdings liegt die Vermutung nahe, dass Burtons Name vor allem im Hintergrund wichtig war. Quasi um den Stein ins Rollen zu bringen. Denn dass Wednesday zu einer der erfolgreichsten Netflix-Produktionen aller Zeiten werden würde, das hat andere Gründe. Viele.
Das fängt schon ganz allgemein an. Würdest du uns fragen, welchem Genre wir Wednesday zuorten, müssten wir ganz schön ausholen. Denn das eine Genre gibt’s gar nicht, vielmehr ist Wednesday eine Art Coming-of-age-Krimi-Komödie in einem übernatürlichen Setting, die sich vor allem, aber nicht ausschließlich, an junge Erwachsene richtet. Soll heißen: Da ist für jeden was dabei.
Das merkt man auch an einigen Versatzstücken, die nur scheinbar nicht zusammen passen. Als wir das erste Mal Wednesday schauten, sahen wir eine Mischung aus The Addams Family, Emily in Paris und Harry Potter. Wo die Addams Family herkommt, müssen wir nicht weiter herleiten. Dito Harry Potter, da die Nevermore Academy recht offensichtlich an Hogwarts erinnert. Und wie bei Emily in Paris haben wir eine Außenseiterin, die mit einer für sie neuen Situation klarkommen muss. Wobei Emily als Protagonistin nett, aber nicht cool ist, während für Wednesday das genaue Gegenteil gilt. Was sie viel nahbarer macht, auch wenn Wednesday selbst das bestimmt nicht gern hört.
Heldin, Schurkin, Social Media-Phänomen
Vor allem haben die Macher mit der Besetzung von Jenna Ortega einen Volltreffer gelandet. Die Schauspielerin, die die Rolle ursprünglich sogar ablehnte, weil sie lieber Filme als Serien machen wollte (und schließlich doch zusagte, weil Tim Burton an Bord war, der also auch in dieser Hinsicht wichtig für Wednesdays Erfolg war) ging in ihrer Rolle einfach komplett auf. Ortega sagte sogar, dass ihre private Garderobe während der Dreharbeiten zunehmend schwärzer wurde. Diese Verbundenheit, dieses Engagement spürt man in jeder Szene.
Warum aber können wir uns überhaupt mit Wednesday identifizieren? Schauen wir objektiv auf die Sache, sehen wir eine sprachlich versierte Musterschülerin/Cellistin/Fechterin/Alleskönnerin, die in ihrer Freizeit nebenbei Romane schreibt und so ziemlich alles besser weiß. So gesehen ist Wednesday eigentlich eine abgehobene Aristokratin, ein verzogenes Kind, das wir meiden wollen. Wären da nicht ihre vielen Macken, die sie eben doch "sympathisch" machen. Und das, obwohl diese Macken alles andere als sympathisch sind. Denn Wednesday Addams ist eben auch überzeugte Misanthropin, die jeden menschlichen Kontakt meidet, vor Gewalt nicht zurückschreckt und nie um einen fiesen Kommentar verlegen ist. Sie ist Heldin und Schurkin zugleich. Eine Mischung, die viele Fans begeistert.
Apropos Fans, da wäre auch noch das Thema Social Media. Oder genauer: Tik-Tok. Im eingangs erwähnten Report von Samba TV heißt es explizit: "Das Erfolgsgeheimnis von Wednesday ist vor allem Gen Z-Star Jenna Ortega zuzuschreiben, die jüngere und diversere Zielgruppen mit repräsentativen und socialmediatauglichen Inhalten wie dem viralen Tanz aus der vierten Episode anspricht." Ungern möchten wir nach unserer bisherigen Analyse sagen, dass Wednesday vor allem wegen eines Social Media-Hypes so durch die Decke ging. Klar ist aber auch, dass die inhärente Viralität des Charakters, ihres Looks und eben Szenen wie dem Tanz bestimmt nicht geschadet hat.
Die Fans lassen bitten
Der Hype um Wednesday Addams ging natürlich auch an Elbenwald nicht vorbei. Quasi über Nacht erreichten uns unzählige Anfragen, wann wir denn endlich Wednesday-Merch anbieten würden. Was uns durchaus überraschte. Also, dass sich Fans melden, weil sie Merchandise zu ihrem Lieblingsfilm oder ihrer Lieblingsserie suchen, das ist nichts Ungewöhnliches. Aber die schiere Masse an Anfragen zu Wednesday, der können wir durchaus das Label "überwältigend" verpassen.
Was auch seine guten Seiten hat, denn dadurch bekamen wir nur umso schneller jede Menge Wednesday-T-Shirts rein. Manche mit Zitaten aus der Serie, manche mit einer Interpretation des Nevermore Academy-Logos, aber auch manche, die sich allgemein an Addams Family-Fans richten. Beutel und Poster runden das Wednesday-Merchandise ab, wobei wir schon jetzt wissen, dass da noch mehr kommt. Schließlich wurde Staffel 2 längst bestellt und wenn alles mit rechten Dingen zugeht, könnte Wednesday durchaus den Stellenwert eines (bald endenden) Stranger Things einnehmen und uns noch viele Jahre begleiten. Genau wie neue Wednesday-Fanartikel.